Skills im Täschchen und As im Ärmel

Vor einiger Zeit habe ich meinem Sohn eine etwas größere Kosmetik-Tasche zweckentfremdet und mit allerlei Skills gefüllt. Erst war er etwas skeptisch und wollte es eigentlich nicht wirklich haben. Doch inzwischen packt er sie immer mit ein, wenn er seine Taschen packt. Ob es nun der Rucksack für die Freizeit ist oder die Schultasche – seine Skilltasche ist immer mit dabei.

Skills sind sogenannte Hilfsmittel, welche man benutzen oder an sich selber anwenden kann, um sich aus bestimmten unangenehmen Situationen wie Überforderung, Reizüberflutung oder ähnlichen Gefühlen zurück ins hier und jetzt zu holen. Sie dienen dazu, sich selbst zu regulieren und nicht in den Meltdown oder Shutdown zu geraten.

Selber trage ich in Situationen, in denen es arg laut ist (Konzert/ Kino, in Cafés oder Restaurants, etc.) gerne Ohrstöpsel mit Noise Canceling. Vincent trägt im Unterricht oder auch daheim oder im Kino Kopfhörer. Er hat auch mal Ohrstöpsel probiert, aber die waren ihm eher unangenehm. Eine andere Möglichkeit war für ihn, dass er Bluetooth Kopfhörer trägt und sich mit Musik ablenkt.

Auch hat er in dieser Tasche viele andere Dinge, die ihm, je nach Situation, gut helfen. Das kann sein

  • ein Haargummi in Neon-Grün (Haptik/ Farbe),
  • eine Banane zum Quetschen (Haptik/ Emotions-Kanal/ Impuls-Kontrolle)
  • zwei ovale Magneten (Haptik/ Bewegungsdrang)
  • zwei Akkupressur-Ringe für Finger (Haptik/ Körpergefühl-Wahrnehmung)
  • Center Shock Kaugummi (Gegenreiz durch sauren Geschmack bei Reizüberflutung)
  • Hilfe-Visitenkarten (Hilferuf kurz vor Meltdown/ bei Reizüberflutung oder Überforderung)
  • kleiner Rubix-Würfel (Haptik/ Bewegungsdrang)
  • kleiner Igelball (Haptik/ Emotions-Kanal/ Impuls-Kontrolle/ Körpergefühl-Wahrnehmung)
  • PopIt-Mate (Haptik/ Bewegungsdrang)
  • Kopfhörer (Geräusch-Unterdrückung)
  • ein Stein (Haptik/ Bewegungsdrang/ Körpergefühl-Wahrnehmung)
  • Stück Holz (Haptik/ Bewegungsdrang/ Körpergefühl-Wahrnehmung)
  • u.v.m. 

Akkupressur-Ringe für die Finger

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Meistens trägt er Pullover mit Kapuzen (Rückzug) und in der Jackentasche sind ebenfalls Hilfe-Visitenkarten und sein SBA mit jeweiligem aktuellen Fahrausweis für die öffentlichen Verkehrsmittel.

Die ganzen Skills nutzt er immer wieder fast selbstständig, muss aber leider noch oft daran erinnert werden, sie anzuwenden oder dass er sie zum Beispiel in der Schule im Unterricht überhaupt anwenden darf. Denn in der Klasse traut er sich nicht selbstständig, seine Nachteilsausgleiche oder Skills zu nutzen, wenn ihm etwas zu viel wird oder er merkt, dass er gerade nicht „funktionieren“ kann, wie man es von ihm erwartet.

Skills, die er mit sich führt oder welche er nutzt, müssen nicht zwangsläufig für alle anderen Menschen ebenfalls funktionieren. Hast du andere Skills oder auch Ideen? Dann gib gerne über die Kommentar-Funktion unter diesem Beitrag eine Rückmeldung.

Nachteilsausgleiche gibt es ebenso. Diese wurden mit der Dame vom MSD-A und der Schulleitung schriftlich festgehalten und sind fortan für alle Lehrkräfte bindend.

Nachteilsausgleiche sind verschiedene Hilfen für Menschen mit Behinderungen und schwerbehinderte Menschen zum Ausgleich von behinderungsbedingten Nachteilen oder von Mehraufwendungen, die sich nach der Art und Schwere der Behinderung richten (d. h., Nachteilsausgleiche sind abhängig vom Merkzeichen und vom Grad der Behinderung im Schwerbehindertenausweis). Nachteilsausgleiche sollen die gleichberechtigte, selbstbestimmte und eigenverantwortliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ermöglichen und fördern.

Aktuell gelten für das laufende Schuljahr folgende Nachteilsausgleiche:

  • folgt noch, sobald ich es in schriftlicher Form offiziell erhalten habe.

Auch ich habe meine Skills im Alltag, die ich wegen meiner Hochsensibilität oder meiner depressiven Phasen nutze. Von den Ohrstöpseln mit dem Noise Canceling habe ich ja weiter oben bereits erzählt. Aber ich ziehe mich auch oft mal einfach ein paar wenige Minuten „raus“, indem ich einfach nur auf dem Klo oder dem Badewannenrand sitze, die Augen schließe und für mich einfach nur zähle. Entweder die Fliesen an der Wand, meine Dreadlocks, die mir über die Schulter fallen, Wassertropfen aus dem Wasserhahn, etc.! Aber auch unterwegs klappt das Zählen von Dingen bei innerer Unruhe oder Anspannung sehr gut (für mich). Dann zähle ich Schritte oder Autos auf dem Parkplatz, Straßenlaternen, Bäume am Straßenrand oder was immer mir vor die Augen kommt. Auch zupfe ich an einem Haushaltsgummi am Handgelenk, wenn es besonders schwere Tage gibt – was zum Glück lange nicht mehr vorkam.

Hast du auch Strategien oder Skills, die du nutzt? Erzähl gern davon in den Kommentaren! 

2 Gedanken zu „Skills im Täschchen und As im Ärmel

  1. Hallo liebe Lilly,

    eines meiner größten Skills ist tatsächlich mein Handy. Dort habe ich meinen Kalender, indem ich mit einer nahezu unmöglichen Anzahl von Erinnerungen Termine eintrage, die ich möglichst nicht vergessen möchte.

    Darüber hinaus auch to do Listen, damit ich nicht vergesse, was ich überhaupt alles abarbeiten möchte. Ich habe auf meinem Handy auch einen optischen Timer damit ich besser erkennen kann, wie viel Zeit tatsächlich verstrichen ist und wie viel Zeit noch übrig ist.

    Weitere Hilfsmittel sind zum Beispiel auch Anrufe bei Freunden, wenn ich unangenehme Tätigkeiten erledigen muss, auf die ich mich nicht besonders konzentrieren muss. Dieses sprechen am Telefon hilft mir, mich auf eine Art abzulenken, dass andere Ablenkungen nicht so sehr zu mir vordringen können, aber das Telefonieren als solches es mir nicht unmöglich macht, das zu erledigen, was ich erledigen möchte.

    1. Liebe Felis, diese Aktionen in Gesellschaft (zum Beispiel Haushaltsführung während einem Telefonat mit einer Freundin) nennt man in Fachkreisen „Body Doubling“. Ist für mich ebenso ein Game Changer!

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