Wo hab ich nur meinen Lack gelassen, wenn ich ihn dringend brauche..!?

Meine Sicht der Dinge:

Ein Jahr, 9 Monate und 4 Tage – das war die Zeit, die ich durch Krankheit, Schwangerschaft und Elternzeit insgesamt an einem Stück nicht zur Arbeit ging. 

Angefangen hat es damals durch einen Zusammenbruch im Oktober 2014. Aber den Grund für den Zusammenbruch erzähle ich ein anderes Mal. 

Das große Glück im ganzen Unglück war damals, dass ich kurz nach meiner Krankmeldung gewollt und doch überraschend schwanger wurde. Durch die Schwangerschaft wechselte ich dann vom Krankenstand wegen des Zusammenbruchs ins Beschäftigungsverbot (MuSchG). Ich durfte also ab sofort nicht mehr arbeiten und hatte nun alle Zeit der Welt, meinen Weg durch die Therapie zu beschreiten. 

Und weil ich so viel Zeit hatte, gerade auch nach der Geburt des Babys, nutzte ich die Gelegenheit für viele Besuche bei meiner Mutter in NRW. 

So ergab es sich also, dass ich am 1. Dezember 2015 meinen vorerst letzten Gesprächs-Termin in der Psychiatrie wahrnahm, am Tag darauf meine Kinder schnappte und mit ihnen im ICE nach Düsseldorf fuhr, um bis in den Januar meine Mutter zu besuchen. So der Plan.. 

Wir hatten vor, ein heimeliges und besinnliches Weihnachtsfest zu feiern, mein Mann Sven wollte ab dem 20. Dezember mit dem Auto nachkommen. Aber Pläne sind bekanntlich dazu da, damit sie umgeworfen werden. 

Mein Bruder trennte sich kurz zuvor von seiner Freundin und zog übergangsweise wieder in unser Elternhaus ein, wo er das Gästezimmer mit Bad bewohnte. Ab meiner Ankunft war eigentlich geplant, dass er auf einem von uns zuvor organisiertem Luftbett im Hobbyzimmer meines zuvor verstorbenen Vaters schlafen sollte, damit ich mit Baby und später meinem Mann und seiner Tochter das Gästezimmer nutzen kann, die zwei Kinder Vincent damals 4) und Joséphine (damals 3) sollten im Zimmer neben dem Hobbyzimmer meines Vaters schlafen. 

Auch diese Pläne wurden umgeworfen. Mein Bruder zog nicht vom Gästezimmer ins Hobbyzimmer und stattdessen war ständig seine Freudin mit dort. Ich musste also mit dem Kleinsten von wenigen Monaten im Wohnzimmer auf dem Sofa schlafen. Rückzugsort? Nö! Natürlich hätte ich auch im Bett meines verstorbenen Vaters neben meiner Mutter schlafen können – das konnte ich aber leider emotional nicht bewältigen. Die Trauer war noch zu groß und es war hart genug, im Elternhaus zu sein; mit der Sicherheit, dass Papa nicht jeden Moment zur Tür rein kommt. 

Eines Abends war meine Mutter mit einem Verein unterwegs, das Event war lange geplant und ich blieb mit den Kids allein im Haus – abgesehen von meinem Bruder, der am PC zockte. Die Kinder schliefen inzwischen, als ich einen süßlichen, rauchigen Geruch wahrnahm. Es kam von oben! 

Mein Bruder rauchte im Büro und es waren sicher keine normalen Zigaretten. Ich ging hoch in die erste Etage, wo ich sofort sah, dass er kiffte. 

Ich brodelte vor Wut! Wie egoistisch ist man eigentlich, dass man unbedingt im Haus kiffen muss, wo gleich nebenan mit offener Türe Kleinkinder schlafen und das alles mit einatmen!? Ich sagte ihm, dass er das unterlassen soll, beim nächsten mal würde ich die Polizei rufen. Und das meinte ich auch so! Familie hin oder her.. 

Gleichzeitig erzählte ich davon meinem Mann daheim über Whatsapp und ich rief auch gleich meine Freundin an, die nicht weit weg wohnte und gleich kam. Auch gab ich Bescheid an meine Mutter, von der ich eigentlich dachte, sie wäre der gleichen Meinung wie ich bzgl. illegaler Drogen. Die Luft war eisig, man konnte sie fast schneiden vor Spannung. 

Als sie heim kam, verlor sie kein Wort über die Situation. Typisch! Wieder blieb sie in ihrer Blase, machte sich die Welt schön, wie es ihr gefiel. Stattdessen bekam ich Vorwürfe, weil ich aus einer Mücke einen Elefanten machte. 

Zwei Tage später eskalierte die Situation so sehr wegen gleicher Begebenheiten, dass sogar Vincent das Geschrei mitbekam. Mein Bruder kiffte, ich ging hoch und stellte die Frage, ob es zu viel verlangt sei, drei Schritte auf den Balkon zu gehen. Dreist meinte er dazu, dass es tatsächlich zu viel verlangt sei und meine Mutter kam sofort angelaufen, um mir weitere Vorwürfe zu machen, weil ich überreagiere. 

Vincent stand nun mit dabei und sagte zu seinem Onkel „Ich habe Angst! Die Oma schreit und die Mama weint!“  Mein Bruder hingegen meint eiskalt zu ihm wortwörtlich „Das geschieht der alten Schlampe ganz recht!“ 

Da verlor ich jegliche Fassung!

Wieder mache ich aus einer Mücke einen Elefanten, wieder kommt das Argument, dass mein Bruder schließlich Miete zahlt und wieder frag ich mich, in welchem Paralleluniversum ich gelandet bin, wo illegale Drogen erlaubt sind! 

Und während ich das hier wieder gedanklich durchgehe, um nichts falsch oder unvollständig aufzuschreiben, überfällt mich der Drang, an meinen Nägeln zu knibbeln und die Haut abzureißen, wie damals an diesem Abend…

„Ich kann ja gehen, wenn dich meine Einstellung zu illegalen Drogen stört!“ schrie ich meine Mutter an, die dann gleich den nächsten Vogel abschoss mit den Worten „Dich hat ja keiner gebeten, her zu kommen!“

Lange Rede, kurzer Sinn: ich rief umgehend meinen Mann in Bayern an mit der Bitte mich sofort abzuholen! Er fuhr am Abend des Geschehens noch los und erreichte uns in den frühen Morgenstunden noch vor Sonnenaufgang!

Die Nacht war schlimm! Ich konnte nicht schlafen, Vincent schlief ebenfalls unruhig und auch das erste mal in seinem Leben bei mir an meiner Seite, weil er Angst hatte! Und ich kam nicht zur Ruhe vor lauter Wut, Frust, Entsetzen und Sprachlosigkeit.

Damals gingen mir in genau dieser Nacht folgende Zeilen durch den Kopf, die ich aufschrieb:

Die Welt hüllt sich in die nächtliche Dunkelheit, 

Regentropfen reisen mit dem Wind, 

Kinder fliegen frei wie die Vögel durch ihre unschuldigen Träumelein und das Herz, das zerreißt..

Wo soll man sofort hin, wenn man nicht mehr erwünscht ist?

Wieso ist man da, wo man nicht sein soll?

Dunkelheit umhüllt mich..

Ich lösche das Licht..

Die Hoffnung reist mit dem Regen durch die Nacht um mich zu holen..!

Ich könnte es kaum erwarten, meinen Mann zu sehen! Ich bin ihm bis heute noch sehr dankbar, dass er ohne lange zu hadern, sofort losgefahren ist, als ich ihn brauchte!

Seither war das Verhältnis zerstört! Klar! 

Ich riet ihr zu einer Therapie (schließlich tat mir das selber auch gut, wieso also nicht auch ihr!?), ich riet ihr zur Trauerbegleitung, ich riet ihr zu so vielem, was mir selber auch gut getan hatte – in der Hoffnung, dass es ihr irgendwann mal besser geht. Aber sie lehnt alles bis heute ab!

Eine Stunde nachdem ich daheim ankam, ist endlich der ganze Druck, alle Frustration und jegliche Anspannung von mir abgefallen. Es ging mir auf den Schlag besser und auch noch heute weiß ich, ich habe richtig gehandelt! 

Dennoch – bis Anfang Juli – hielt ich sporadisch den Kontakt zuliebe der Kinder. Doch damit ist ja seit gestern auch Schluss..

Wenige Tage im Elternhaus und meine Finger sahen so aus…

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