Wie geht es dir?

Momentan kreisen bei mir oft Gedanken, die ich versuche zu sortieren. Oft kam ich mir schon echt doof vor, weil ich Fragen beantwortet oder eben nicht beantwortet habe. Klingt komisch? Ja, so kam ich mir auch das ein oder andere Mal vor!

Man trifft jemanden nach längerer Zeit und begrüßt sich. Dann kommt es dabei häufig vor, dass die Frage „Wie gehts dir?“ gestellt wird. Und dann? Ja, dann läuft bei mir im Kopf mittlerweile die Denkmaschine und fängt das Rauchen an:

  • Will die Person wirklich wissen, wie es mir geht?
  • Ja, wie geht es mir denn eigentlich grad? Da muss ich selber erst mal reflektieren… 
  • Will die Person wissen, wie ich mich in diesem Moment fühle oder die Gefühlslage der letzten zwei Wochen7 Monate/ Jahre? Oha, das ist kompliziert… 
  • Hat die Person Zeit und Interesse für die Antwort oder soll es wieder nur eine Floskel sein? 
  • Stehen wir hier irgendwo im Weg? 
  • Der Verkehr ist hier an der Straße aber echt laut…
  • Frage ich noch mal nach, welche Art der Antwort die Person erwartet? Ob das nicht zu eigenartig wirkt?
  • Stammle ich gerade rum, während ich über eine Antwort nachdenke? 
  • Wirke ich nervös?
  • Mir ist das hier an der Straße eigentlich viel zu laut…
  • Ob es der Person selbst wohl (nicht) gut geht? 
  • Die Passanten, die neben uns vorbei gehen, kommen aber echt nah ran… Vielleicht sollten wir woanders hin gehen, wo man sich besser unterhalten kann? 

Das ist nur ein kleiner Teil möglicher Gedanken, die sich in dem Moment auf einem Parkplatz beim Supermarkt in meinem Kopf abspielen können, wenn man zufällig jemandem trifft und nur diese eine Frage gestellt wird. 

Klingt anstrengend? Ja, ist es! Denn meist ist tatsächlich nur die Frage nach dem Wohlergehen als Begrüßungsfloskel gemeint. So viel hab ich in den letzten 40 Jahren schon gelernt! 

Wenn ich jedoch jemanden frage, wie es der Person gerade geht, dann habe ich Zeit im Gepäck. Ich erwarte nicht, dass man sich sofort öffnet und seine innigsten Geheimnisse teilt. Aber ich nehme Anteil an dem Befinden meines Gegenübers. Ich möchte sogar behaupten, dass ich es fühle, wenn irgendwie was nicht stimmt oder sich die Person traurig oder unzufrieden oder gar krank fühlt. Und dann frage ich tatsächlich „Hey, wie geht es dir denn?“ und meine es genau so wie ich es gefragt habe. 

Oft bekomme ich dann ein „Ach ganz ok“ und es blubbern dann weitere Dinge wie das aktuelle oder sogar vergangene Wetter heraus. Wieso tun Menschen sowas? 

Wieso bin ich so anders? Wieso nimmt sich keiner mehr die Zeit für eine Tasse Tee, Kakao oder Kaffee beim Bäcker? Alles ist so schnelllebig geworden und jeder ist sich irgendwie nur selbst der Nächste. 

Gleiches gilt für Eltern! Wenn ich da an die Kita-Zeit meiner Kinder denke, werde ich echt traurig! Ich kann mich nicht daran erinnern, dass man mich mehr als zwei mal eingeladen hat, wenn die Kinder miteinander spielen wollten. Im Gegenteil. Ich hatte immer mehr das Gefühl, dass meine Direktheit und Offenheit auf Unmut stößt oder unangenehm sei. Mir war das eher unangenehm, wenn nur Floskeln und oberflächliches Bla Bla erzählt wurde. Ob ich dann traurig war, nicht mehr eingeladen zu werden? Da gibt es von mir ein klares Jain. Natürlich ist man traurig, wenn man ausgegrenzt wird oder nicht teilhaben darf. Aber möchte ich da sitzen zu jedem Preis? Nein. 

Das Gleiche verlief dann auch weiter so in der Schulzeit meiner Kinder. Aktuell sind meine Kinder in der 3. und 4. Klasse der Grundschule und der Große ist in der 6. Klasse der Mittelschule. Und auch hier habe ich weder Kontakt zu anderen Eltern, noch bin ich in deren WhatsApp-Gruppen. Oh, nicht falsch verstehen, ich war mal drin! Aber nachdem ich offensichtlich überlesen oder ignoriert wurde, habe ich mich selber hinausbefördert und es hat nicht mal jemand danach gefragt, wieso ich raus bin. 

Und wenn ich heute so zurückdenke, war es genau so schon während meiner eigenen Kinder- und Jugendzeit. Ich war immer anders. Ich war immer die, die irgendwann von selber ging, weil sie ignoriert oder nicht beachtet wurde. Ich war selten ein zweites Mal eingeladen. Mich jemandem aufdrängen liegt mir fern. 

Was ich heute mit dem Text aussagen möchte? Ich weiß es selber nicht. Das soll jedenfalls kein Vorwurf sein an die, die mich wie eine Aussätzige behandelt haben. Man muss seine Zeit nicht mit Menschen verbringen, denen man sich nicht nahe fühlen kann. So handhabe ich das ja auch. Aber ich finde es einfach schade, dass die Welt voller Oberflächlichkeit und Floskeln ist. Ich finde es schade, dass man sich in Konkurrenz befindet, statt sich gegenseitig zu stärken, zu unterstützen und zu akzeptieren, wie man nun mal ist. 

In diesem Sinne, lasse mich dir eine einzige Frage stellen: 

Wie geht es dir heute?

4 Gedanken zu „Wie geht es dir?

  1. Andersherum frage ich nicht, wenn mich die Person nicht interessiert. Hört sich hart an, aber genau so ist es nun mal: entweder ich hab keinen Bezug zu der Person oder ich weiß genau was kommt. So oder so – es interessiert mich nicht. Denn ( und ich weiß dir geht es ebenso) bekommt man auch mal ungefragt das Herz ausgeschüttet. Und wenn ich mal gefragt werde wie es mir geht, dann kommt es darauf an, wer es ist. Oder ob ich nur smalltalkähnlich Floskeln von mir gebe, dir der andere hören will und demnach völlig inhaltslos sind. Und wenn ich frage, will ich immer die echte Antwort, keine maskierte ♥️

    1. Ja, da hast du sicher auch Recht! Wenn ich tatsächlich keine Zeit im Gepäck habe für eine eventuell längere Antwort oder der Bezug zur Person nicht im engeren Sinne ist, dann frage ich nicht, wie es einem geht. Das wäre ja sonst wieder die altbekannte Floskel. 🙂
      Auch das vereinnahmen und Frust oder Probleme abladen kenne ich zu gut und habe bereits schon bei den ein oder anderen Personen angefangen, dieses zu unterbinden oder gar zu untersagen mit den Worten „Ich habe jetzt keinen Kopf für deine Probleme, such dir einen anderen Kummerkasten!“. Und dann bin ich wieder arrogant oder „schwierig“ geworden.

  2. Wow genau das was Du da geschrieben hast könnte von mir sein.
    Ich kenne diese zwischenmenschlichen Begegnungen/ Beziehungen so so gut und genau aus diesem Grunde bin ich immer vorsichtiger geworden und habe mich immer mehr zurück gezogen.
    Banaler Small-Talk war noch nie mein Ding. Um so mehr schätze ich die Verbindung zu Menschen wie Dich.

    1. Komischerweise bin ich da eher weniger ruhiger geworden, sondern reflektierter und dennoch offener denn je. Vielleicht nicht gegenüber jeder Person, aber definitiv überlegter und mindestens genauso direkt.
      Was ich oft im Familienkreis anhören musste: „Sei mal nicht so frech!“ oder „Überlege erst, was du sagst! So kannst du doch nicht mit Leuten reden!“.
      Smalltalk ist und bleibt eben nur die angekratzte Oberfläche. Und so komisch das grad klingen mag: je mehr Menschen ich kennenlerne, die im Herzen barfuß (danke Lissy, für den tollen „Jingle“) oder in irgendeiner Form neurodivers oder neurodivergent sind, desto mehr empfinde ich mich als genug und richtig! Dafür bin ich auch sehr dankbar.

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