Vergesslichkeit – eine Charaktereigenschaft?

Jeder vergisst mal etwas.

Ein erwachsener Mensch vergisst so vieles in seinem Erwachsenen-Dasein!

Ich, zum Beispiel, vergesse immer noch regelmäßig, wo meine Schlüssel liegen, wo ich meine Brille ausgezogen habe, wann ich das letzte Mal die Haare gewaschen habe oder lasse den Einkaufszettel daheim, wenn ich im Supermarkt stehe. Und wehe, ich hätte nicht so einen aufmerksamen Mann an meiner Seite, der mir den Kopf hinterherträgt oder noch mal losfährt, um alle noch fehlenden Lebensmittel zu besorgen, die ich für das Abendessen vergessen habe!

Ist Vergesslichkeit eigentlich eine Charakter-Eigenschaft? Habe ich einen schlechten Charakter, weil ich Lebensmittel vergesse, Schlüssel verlege, nicht täglich in den Schulmanager schaue oder sogar ein Kaffeekränzchen verschwitze, weil ich an tausend andere (wichtige) Dinge gedacht habe?

Und wie mag das erst bei einem Kind von 10-14 Jahren sein, welches gerade in einem Abschnitt seines Lebens angekommen ist, bei dem Eltern gerne ins Bällchenbad möchten, um sich womöglich da in den Schlaf zu rotweinen? Stichwort: PUBERTÄT.

Was passiert im Körper von Pubertierchen eigentlich?

Körperbau und innere Organe verändern sich markant durch Wachstumsschübe, Körperbehaarung und Körpergeruch so wie Stimmbrüche bekommen im Alltag eines Kindes große oder gar keine Bedeutung (mal mehr, mal weniger). Aber das ist noch nicht alles!

Das seelische Auf und Ab in der Pubertät ist geradezu theatralisch. Die Ursachen für Stimmungswechsel sind Umbauvorgänge im Gehirn. Man nennt es auch die Myelinisierung der Axone, der die „weiße Substanz“ im Gehirn und Rückenmark ihren Namen verdankt. Diese beginnt zwar bereits schon während der Schwangerschaft im Mutterleib, setzt sich jedoch während der Kindheit fort und wird auch in der Pubertät noch einmal stark ausgeprägt. Für Dummies erklärt: die Nervenautobahn ist in der Bauphase (Myelinisierung) komplett gesperrt, weswegen es in der Pubertät von Kindern vermehrt zu „Totalausfällen“ kommt. Man merkt einfach, dass sich genau diese Kinder „zurückentwickeln“ und man als Elternteil den Verdacht hegt, komplett versagt zu haben! Das Hirn läuft sozusagen auf Vollgas mit angezogener Handbremse und man kann im Grunde nichts dagegen tun als die Phase abzuwarten.

Traurige Phasen können sich mit überschwänglichem Glücksgefühl bei Pubertierchen abwechseln. Manchmal verhalten sich Jugendliche reif und „vernünftig“, können im nächsten Moment aber wieder kindlich und albern sein. Oft gilt es auch, rebellische Phasen zu überstehen – mit Wutausbrüchen, allgemeiner Gereiztheit und demonstrativer Abgrenzung gegenüber den Eltern. Solche Phasen können das Zusammenleben in der Familie, manchmal auch Freundschaften belasten. Manche Mädchen oder Jungen haben nicht nur Probleme mit ihrer Umwelt, sondern auch mit sich selbst. Das seelische und auch hormonelle Durcheinander wird durch Konkurrenzverhalten untereinander oft nur noch verstärkt.

Und wie geht man nun mit solcher Spezies um?

Man könnte sich auch auf den Boden werfen und hoffen, dass es schnell vorbei geht, dann aufstehen, Krönchen richten und weiter, aber das ist weder für die Eltern nützlich, noch für die Kinder, die nun erst Recht die volle Unterstützung der Erwachsenen benötigen, um irgendwie in dieser schweren Zeit klar zu kommen.

Ganz einfach: ducken und wegrennen ist nicht! Das ist Fakt! Stattdessen sollte man mit offenen Ohren, einer Prise Humor und wahnsinnig viel Feingefühl für seine Kinder da sein! Ohne Anklagen oder Vorwürfe sollte man dem betreffenden Kind in der jeweiligen Auf- oder Ab-Phase beistehen! Aufklären! Ob nun mit dem Thema Pubertät, Menstruation (ja, auch das sollten Jungs kennen!), körperliche Veränderung, Bedürfnisse, Ängste, Gedanken, usw.! Man sollte einfach über alles offen und direkt reden können, wenn es gerade Thema ist oder auch bevor es zum Thema wird!

Vor allem sollte man dem Kind glauben und niemals das Gefühl geben, nicht gehört oder gesehen zu werden! Oder schon gar nicht, dass es nicht genug ist! 

Ist ganz schön schwierig, wenn man so viel für seine Kinder mitdenken muss! Da kann es halt schon mal vorkommen, dass man vergisst, was man eigentlich als Abendessen geplant hatte.

Und nun möchte ich dir gerne noch etwas zeigen! Ein Text über Vergesslichkeit. Nicht so wie meiner hier! Aber ein anderer Text nicht aus meiner virtuellen Feder hier und mit einer anderen Message! Eine Message, welche ich nicht so recht verstehen möchte, denn der Zettel wurde als „Zusatzaufgabe“ von einer Lehrkraft an meinen Sohn ausgeteilt, weil er wohl mehrfach was vergessen hatte.

(Anmerkung: das war zu Zeiten noch ohne Schulbegleitung 5. und 6. Klasse Mittelschule – also PubertÄra. Er hat die Aufgabe/n niemals abgegeben – dafür habe ich gesorgt!)

Und sei doch so lieb, erzähl mir bitte in den Kommentaren, welche Message du aus dem Text im Download herausliest. Also so „zwischen den Zeilen“. Ich bin gespannt! Ach und wenn du gerade dabei bist: was soll ich heute kochen? Ich hab´s vergessen…

Lieben Gruß,

Liliana

 


Nachtrag am 21.11.2023:

Die Schulleitung wurde von mir vor einiger Zeit über die Lehrmethoden dieser fragwürdigen Lehrkraft und ihrem Text über „Vergesslichkeit“ in Kenntnis gesetzt. Morgen wird wohl besagte Lehrerin ein (ernstes?) Gespräch mit der Schulleitung haben. Vermutlich passiert das aber auch nur, weil ich diese Methoden einfach nicht mehr akzeptiere und das Schulamt hinzuziehen werde, wenn ich „genug gesammelt“ habe. Das jedoch wollte die Schulleitung aber nicht gerne hören. Sie hat zudem auch sehr entgleist geschaut, als ich zu verstehen gab, dass es wohl nicht das erste mal sei, dass besagte Lehrerin genau wegen ihrer zweifelhaften Methoden bereits aus Augsburg nach Fuchstal versetzt wurde, weil man sie wegen Verbeamtung nicht kündigen könne. Das Gesicht sprach Bände.. Woher ich das weiß? Tja, Eltern unterhalten sich auch ab und zu mal miteinander!

Ich find immer wieder bemerkenswert, für wie blöd man uns ständig hält.. Tja, dumm gelaufen – wir sind es nicht!

 


Nachtrag 08.09.2024:

Wenn ich hier mal eine nette Dame von Instagram zitieren darf:

Ihr dürft es gerne auch liebevoll „Konsequenzen“ nennen, ich finde es aber richtig, es beim Namen zu nennen.

Es sind Strafen!!

Und das ist laut Gesetz im Übrigen VERBOTEN!!

(Paragraf 1631 des BGB)

Quelle: @kapierfehler / Corina Elfe

Näheres auch hier von Lydia Clahes, Coaching für Lehrkräfte

Der §1631 BGB Absatz 2 besagt übrigens: 

2) Das Kind hat ein Recht auf Pflege und Erziehung unter Ausschluss von Gewalt, körperlichen Bestrafungen, seelischen Verletzungen und anderen entwürdigenden Maßnahmen.

5 Gedanken zu „Vergesslichkeit – eine Charaktereigenschaft?

  1. Ich finde, dass Vergesslichkeit einfach zeigt, dass man Mensch und keine Maschine ist.
    Das PDF empfinde ich als Strafarbeit und sehr vorwurfsvoll geschrieben. Ich glaube nicht, dass dies pädagogisch wertvoll ist und finde es sehr fragwürdig.

    1. Vielen Dank, liebe Andrea.
      Du hast vermutlich Recht. Was der Autor/ die Autorin des PDFs ausdrücken will, bleibt vermutlich ein Mysterium. Der Text war ein Fundstück im Schulranzen meines Sohnes Vincent. Wer mich kennt, weiß, dass ich diese „Zusatzarbeit“ nicht hab abschreiben lassen von ihm.

  2. Vergesslichkeit ist keine Charaktereigenschaft, sondern eine mal mehr mal weniger gut abrufbare Hirnleistung, sich in bestimmten Situationen an bestimmte Dinge zu erinnern. Das Hirn trennt in (über)lebenswichtig oder „kann warten“ 🤷‍♀️ was letztendlich effektiv ist.
    Eine Charaktereigenschaft wäre es, sich dessen bewusst zu sein und seinen persönlichen Mental-load nicht als erdrückender Ballast, sondern als eigene Spitzenleistung zu empfinden. Weg von „gesellschaftlich korrekt“, mehr stolz auf „Irren ist menschlich“ zu sein ❤️

    Das PDF. verdient keinen Kommentar. Mein Hirn verbucht es als „kann weg“

    1. Genau mein Gedanke! Vielen Dank für dein Statement, liebe Lena! Dennoch würde ich zu gerne wissen, was sich die Person dabei gedacht hat, diesen Zettel meinem Sohn (mehrfach in Abständen einiger Monate) mitzugeben. Es bleibt wohl vermutlich auf ewig ein Rätsel – und kann weg *schmunzel*

  3. Hallo Liliana,

    wenn ich mir so deinen Artikel durchlese, dann muss ich einen furchtbaren Charakter haben. So oft wie ich Dinge vergesse, Dinge verlege oder überlege, was ich vorgehabt habe. Ganze Aufgaben vergessen ist ein ständiger Begleiter meines Lebens. Es nervt. Ich muss wirklich einen furchtbaren Charakter haben.

    Vor allen Dingen aber nervt es mich, weil der Umgang mit meiner Vergesslichkeit mich oft viel Energie kostet und ich Machnmal schon erschöpft bin, ehe ich das Haus verlasse.

    Alternativ könnte man sich aber auch überlegen ob es daran liegt, dass ich ein ADS-Mensch bin. In meinem Kopf ist halt einfach so irre viel los, dass er unmöglich alles behalten kann.
    Dann könnte man auf den Gedanken kommen, dass das vielleicht gar nicht Bestandteil meines Charakters ist. Aber dazu müsste man sich vielleicht auch mal ein bisschen mit dem menschlichen Gehirn beschäftigen.

    Man stelle sich einmal vor: so eine Lehrkraft ist eine studierte Person und hat trotzdem keine Ahnung von solchen Dingen. Man sollte meinen, wer Lehramt für die höheren Klassen studiert, sollte sich zumindest ein bisschen mit der Thematik der Pubertät beschäftigen. Vielleicht auch mit dem einen oder anderen chemischen Ungleichgewicht im Gehirn, was vielleicht dazu führen könnte, dass ein Mensch mal nicht normgerecht funktioniert. Und gleichzeitig eine hohe Intelligenz und einen ganz wunderbaren Charakter haben.

    ich bin übrigens froh, dass du den Abschreibtext nicht hast abschreiben lassen. ich finde diesen Text nämlich ausgesprochen übergriffig und beschämend. Einen solchen Text hätte ich vielleicht noch in den 80ern erwartet. Heutzutage sollte man aber deutlich differenzierter mit verschiedenen Menschen und ihren Eigenarten umgehen können. Und wissen, dass, wie du schreibst, das eben Vergesslichkeit kein Bestandteil des Charakters ist und was körperliche Veränderungen auslösen können.

    Liebe Grüße
    Felis

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