Meine Sicht der Dinge:
Alles begann irgendwie 2008 – meine Oma starb leider bei einer Not-OP, ich lernte einen Mann kennen der mich von meiner Trauer ablenkte und ich stürzte kopfüber in eine neue Beziehung, die wohl nie einfach werden würde.
Dieser charmante und in meinen Augen gut aussehende Mann – Stefan, alleinerziehend, Witwer und selbstständig – sollte wohl bald mein komplettes Leben auf den Kopf stellen..
Wir lernten uns im April 2008 kennen, verliebten uns und ich zog mit ihm und seinem damals gerade erst 5 Jahre jungen Sohn Raphael in ein wunderschönes Haus mit Doppelgarage, Sauna, Pool und riesigen Garten. Das war gerade mal Mitte Mai!
Ich stolperte vom Single-Leben mitten in ein Leben als (Ersatz-)Mama, kümmerte mich um Haushalt, Kind (Kindergarten/ Schule), Einkäufe und suchte das AuPair aus, was wir damals hatten. Wäre es nach mir gegangen, hätten wir nie ein AuPair gehabt – aber Stefan bestand darauf. Am liebsten wäre es ihm noch gewesen, hätte ich meinen Beruf als exam. Altenpflegerin an den Nagel gehangen. Aber ich liebe meinen Beruf und habe weitergemacht.

Die Beziehung war ständig im Auf und Ab, es gab ständig Erziehungsfragen, in denen wir uns nicht einig waren, er war oft weg und kompensierte seine Abwesenheit bei Raphael mit materiellen Werten in Form von Spielsachen oder teuren Ausflügen, bei denen er sich stets selbst überbieten musste.
Mich nervte das und ich versuchte dennoch Raphael zu vermitteln, dass auch kleine Dinge wie Zeit oder Aufmerksamkeit durch Zuhören oder sich gegenseitig Bilder malen wertvoll sei. Das klappte auch recht gut und Raphael verstand sehr gut, was richtig und falsch war oder um was es an Weihnachten oder Ostern eigentlich geht!
Die Zeit verstrich und die Beziehung mit Stefan wurde immer anstrengender und liebloser. Doch eines hatte sich in mir verändert – ich war Mutter geworden. Natürlich nicht biologisch, jedoch aus vollem Herzen und all meiner Liebe zu Raphael, der mich inzwischen auch Mama nannte.
Um es kurz zu erklären: Martina, seine richtige Mama, starb in jungen Jahren mit 32 an Krebs. Raphael war zu dem Zeitpunkt gerade erst 3.
Was ich damals nicht richtig wusste, aber dennoch tat: ich blieb in dieser miesen Beziehung nur wegen Raphael. Ich spürte wohl, dass es ihm schadet, wenn ich ausziehen und Stefan verlassen würde. Ich hielt es alles aus des Kindes wegen, denn mitnehmen konnte ich Raphael ja nicht – er war schließlich nicht mein eigener Sohn! Leider!
2009 war ich durch Stefan inzwischen so manipuliert worden, dass mein Freundeskreis immer kleiner wurde, selbst zu meiner großen Liebe Dana wurde eine Kluft gerissen, der Kontakt brach für lange 6 Jahre ab. Ich war absolut allein – abgesehen von Stefan und Raphael. Ich verlor den Job, ich verlor ein Kind (das war damals meine erste Fehlgeburt – auch davon folgten leider noch mehr), ich brach den Kontakt zu meiner Mutter ab (sie war gegen diese Beziehung) und ich entschied mich bei der ganzen Misere dazu, mit Stefan und Raphael nach Bayern zu ziehen.
Am 13.11.2009 fuhren wir also in die neue Wahlheimat, nach Dießen am Ammersee. Ich fand schnell eine Stelle als Pflegefachkraft, wir fühlten uns dort recht wohl und ich wurde schwanger.
Ich erinnere mich daran, dass wir an dem Tag des ersten Untersuchungstermins einen großen Streit hatten und ich vor meinem Termin beim Gynäkologen noch Wohnungen in NRW über das Internet suchte und ausdruckte. Als ich dann das erste Ultraschallbild meines Kindes in der Hand hielt und zur Tür raus ging, kam Stefan mir entgegen – er war auf dem Weg ins Dorf, wollte dort einen Cappuccino trinken..
Im Vorbeigehen sprach ich ihn an und fragte, ob er das Bild unseres Kindes sehen wolle und er sagte eiskalt „Nö!“ und ging weiter!
Ich lief in die entgegengesetzte Richtung, wollte aber nicht heim. Ich glaube, ich war fast drei Stunden nur ziellos am See entlang, bis ich heulend auf dem Spielplatz saß..
Wie man sich denken kann, folgte auch hier wieder und wieder und wieder eine Versöhnung nach der anderen, auch ging es wieder mal weiter und auf jeden Streit folgte wieder mein „Durchhalten“..
Raphael freute sich auf sein Geschwisterchen und war absolut hilfsbereit, spürte wenn ich mich nicht wohl fühlte, streichelte und sprach mit meinem Bauch und wollte alles wissen.
Stefan hingegen sah alles sehr rational, nüchtern, ja eigentlich fast gefühlskalt! Er meinte, ich sollte bis zum Schluss arbeiten, schließlich sei ich schwanger und nicht krank, und die Frauen damals haben ihre Babys auch in der Mittagspause zur Welt gebracht und haben gleich weiter gearbeitet.
Stefan war auch gegen das Stillen! Flaschen seien super, man könne sich so viel besser abwechseln und kümmern – komisch, dass er nie da war..
Als Vincent dann im Februar 2011 zur Welt kam, veränderte ich mich, ohne es selber zu bemerken. Ich fühlte mich glücklich! Ich ging auf in der neuen Rolle als Mama eines Babys. Auch Raphael liebte Vincent abgöttisch!
Doch es wurde immer schlimmer mit Stefan. Immer häufiger gab es Streit, er machte mich regelrecht fertig mit seiner Psycho-Nummer! Immerzu setzte er mich unter Druck, indem er mir durch die Blume sagte, er würde mir Raphael und Vincent nehmen.
Am 22.7.2011 war es dann ganz schlimm! Wieder ein Streit – es ging darum, dass ich mir wieder mal alles einbilde. Er hatte ständig neue Models bei sich, mit denen er schlief – ich bin nicht blöd und weiß was ich selber gehört und gesehen habe, wenn ich durch die Tür zum Fotostudio sah..
Aber das war nicht das schlimmste. Er wollte, dass ich mit anderen Männern schlief, am besten würde ich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden und ein Taschengeld verlangen – das ging zu weit! Ich kann vieles ertragen, aber in so einem Umfeld wollte ich kein Baby lassen! Ich musste endlich die Reißleine ziehen!
Ich packte in Windeseile Koffer und ein paar persönliche Habseligkeiten ins Auto, Vincent und Kinderwagen, meinen Schmuckkasten (irgendwie hatte ich so ein Gefühl, ich müsse meine Wertsachen mitnehmen) und fuhr 680km Richtung Norden zu meinen Eltern.
Ich hatte ihn endlich verlassen!
Aber zu welchem Preis? Raphael blieb zurück, ich konnte und durfte ihn nicht mitnehmen.
Ich höre noch oft seine letzten Worte zu mir, als ich Abschied nahm und wir zu zweit in seinem Kinderzimmer saßen. Wir weinten beide.. Sie verfolgen mich auch immer noch bis in meine Träume..
„Mama, wieso kann ich nicht mit dir kommen!?“
„Das geht leider nicht, mein Schatz! Papa erlaubt es nicht und er möchte dich bei sich haben! Aber du darfst mich zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen!“
„Ja das mache ich Mami! Ich hab dich ganz doll lieb! Ich vermiss dich jetzt schon! Ich will nicht, dass du gehst!“
„Ich lieb dich auch, mein Mausebär! Aber ich muss leider gehen!“
Ich hätte niemals gedacht, dass ich meinen geliebten Mausebär in diesem momentan das letzte mal sehen sollte..
Ich dachte, diese Beziehung wäre die Hölle gewesen, aber die Hölle sollte erst noch folgen! Der Rosenkrieg war begonnen, er zeigte fortan sein wahres Gesicht.
Ich floh an diesem Tag zu meinen Eltern und blieb zwei Wochen mit Vincent dort.
Es folgten zwei Jahre Angst, Psychoterror, Lügen, Schlaflosigkeit und Einsamkeit..
Doch dazu später mehr, wenn ich weiß, wie ich es in Worte fasse.