Ziemlich genau gestern bin ich auf einen sehr interessanten Beitrag auf Instagram gestoßen. Es ging darum, dass es eigentlich viel mehr neurodivergente Menschen gibt, als diagnostiziert wurden. Das liegt am Cola-Flaschen-Effekt. Ich las die Zeilen von Linda (auf Instagram findest du sie unter grubenpony_) und fühlte mich um Jahre zurück-katapultiert, als verschiedene Kinderärzte nicht das sehen wollten, was ich tagtäglich sah und empfand: dass irgendwas mit meinem Kind anders ist und wir Hilfe brauchten.
Wie oft habe ich beim Amt für Jugend und Familie gesagt und geschrieben, dass wir dringend eine Schulbegleitung benötigen für meinen Sohn, weil er in der Schule ohne Hilfe nicht klarkommt und maskiert..! Kaum daheim, platzte die Cola-Falsche auf und er explodierte so arg, als wäre noch ein Mentos in die Flasche gehupft!
O-Ton ehemaliger Mitarbeiter vom Amt für Jugend und Familie im Jahr 2023:
>>In der Schule ist Vincent unauffällig! Aber wir können Ihnen gerne eine Familienhilfe am Nachmittag stellen!<<
Und wie oft habe ich dazu immer wieder gesagt, dass es ein Bullshit ist, wenn man erst im Nachgang dem Kind helfen will, wenn es bereits im Meltdown ist! Wieso kann man nicht wie in der Altenpflege prophylaktisch arbeiten? Es macht keinen Sinn, wenn man später nicht wirklich heilen wollende Wunden versorgt, wenn man bereits Wunden durch Mikrolagerung verhindern kann! Aber nein, ich durfte nur den Satz hören:
>>Sehen Sie es aus Geldgeber-Sicht! Sie bekommen keine Bewilligung für eine Schulbegleitung! Aber wir können Vincent ja mal mehrere Wochen stationär für eine medikamentöse Therapie einweisen!<<
Geht´s noch? Und mit der Erklärung von Linda über den Cola-Flaschen Effekt ist mir noch einmal richtig bewusst geworden, wie viel ich daheim für meine Kinder stemme! Ich bin der sichere Hafen! Ich bin der SafeSpace und der Rückzugsort mit Sicherheit und bedingungsloser Liebe. Und ich habe im Sommer 2023 die Bewilligung einer Schulbegleitung erwirkt!
Oder als ich damals beim ersten Elterngespräch in der Schule saß und mir von einer inkompetenten Lehrkraft anhören musste, dass sie schon oft mit Autisten zu tun hatte, aber Vincent sei keiner! Ja ne, ist klar! Die Diagnose von mehreren Therapeuten, Fachärzten und Pädagogen haben wir auch nur auf dem Rummel gewonnen! Da kann man nur mit dem Kpf schütteln, dass einem kotzeschlecht wird!
Liebe Linda, vielen Dank für deinen wundervollen, aufklärenden, interessanten und lehrreichen Content auf Instagram! Du bist sehr wertvoll!
In diesem Sinne,
Liliana – Kämpferin!
4 Gedanken zu „Der Cola-Flaschen-Effekt oder: Wieso es vermutlich so viele nicht-diagnostizierte neurodivergente Menschen gibt“
ich kann das so gut nachvollziehen. ich habe das auch mein Leben lang hören müssen. und meine Eltern hatten in Elterngesprächen immer gesagt bekommen, dass ich doch mal zum Psychologen muss weil ich so impulsiv bin und ich soll doch mal mein Temperament ein wenig zügeln. vielleicht sogar ein Antiaggressionstraining machen. alle anderen Menschen auf diesem Planeten sind anscheinend besser dafür geeignet zu diagnostizieren als du selbst der du betroffen bist. und da steigt immer die Wut in mir hoch. viele meinen dass sie alle Autisten kennen, weil sie vielleicht schon mal für eine soziale Einrichtung gewisse Menschen mit extremeren Erscheinungen des Autismus gefahren haben.
Liebe Asbru,
danke für deine Gedanken. Früher war halt eh noch mal alles anders. Da wusste man noch nicht viel über Autismus, Neurodiversität und impulsive Kinder, die „nur“ in einer Reizüberflutung oder Überforderung durch verschiedene Reize kommen.
Leider hat sich das bis heute bei vielen Menschen höheren Alters so gehalten, dass man von temperamentvollen und aggressiven Kindern spricht. Da ist großer Bedarf an Fortbildung und Schulung bei Lehrkräften nötig, die man über den MSD(A) einfordern kann! SOwas würde ich allen Eltern als Info mitgeben nach einer Einschulung! Man sollte überhaupt als Eltern mehr informiert werden über diverse Anlaufstellen, wo man Hilfe und Unterstützung bekommt! Das geht viel zu viel unter!
Ich habe von einer Grundschullehrerin, die zwei meiner Söhne in unterschiedlichen Jahrgangsstufen hatte, zu hören bekommen: Was müssen sie für eine assoziale Familie sein, dass das eine Kind im Unterricht mitarbeitet und das andere so quer schießt. Die Kinder sind so unterschiedlich erzogen. Ich bin danach wortlos aufgestanden und gegangen. Das ist zum Glück schon viele Jahre her, ich kann mich noch daran erinnern als wäre es gestern gewesen. Das war so demütigend.
Die Mikroverletzungen haben nicht nur die Kinder, sondern zu allererst die Mütter, die den ganzen Tag alles geben (und darüber hinaus) und sich dennoch wie Versager vorkommen, weil ihnen die Gesellschaft/das Schulsystem genau das widerspiegelt.
Hut ab, liebe Lili, du machst genau das, wozu ich mich nicht getraut habe, weil ich selber völlig überfordert war und die falschen Berater hatte. Du bist eine der stärksten Frauen, die ich kenne.
Liebe Lissy,
wenn ich deine Erfahrungen hier so lese, wird mir ganz anders, Fäuste verhärten sich und ich möchte echt ungläubig mit dem Kopf schütteln! Was war das für eine inkompetente Le(e)hrkraft? Oh man! Unfassbar! Aber ja, auch ich habe so Momente, wo ich sprachlos bleibe und die Demütigung über mich ergehen ließ. Das schmerzte immer bis ins Mark und ich kann deine Situation von damals so fühlen! Nur hab ich mittlerweile echt keine Hemmungen mehr, MEINE Grenzen (und die meiner Kinder) klar zu definieren und auch zu kommunizieren.
Wie heißt es so schön: >>Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert!<< Und mittlerweile geht man schon fast in Deckung, wenn ich den Schulhof betrete, um mal wieder eine Situation zu klären. 🙂 Ich rede auch nicht mehr wirklich, ich schreib alles in CC ans Schulamt. Sollen die mir alle den Buckel runter rutschen... Liebe Lissy, danke für deine streichelnden Worte. Ich wünschte nur, ich müsste nie so stark sein, denn das zermürbt und macht müde. Gut, dass ich so tolle Freundinnen und einen tollen Mann habe, bei denen ich mich ausruhen und KRAFT schöpfen darf. <3